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15.12.18

Der Wettbewerb um Lernende

Wettbewerb um Lernende




Heissbegehrte Lernende

Einige Unternehmen, Branchen und Sektoren, bekunden Mühe, geeignete Bewerber*innen zu finden.

Gerade bei KMU’s (kleinere und mittlere Unternehmen) spitzt sich die Lage zu.

Lehrstellen bleiben sogar unbesetzt.  Umgekehrt finden nicht alle Schüler*innen, die eine Lehre machen wollen, eine Lehrstelle.

Woran hapert es?


Sind die Lehrstellensuchenden daran schuld? 

Auf den ersten Blick scheint der Fall klar:

  • Die Anzahl der Schulabgänger*innen hat abgenommen.
    Aus dieser sinkenden Zahl ergibt sich ein Überhang an Lehrstellen. Das Angebot an Ausbildungsplätzen übersteigt also die Nachfrage nach Lehrstellen (hierzu auch Nahtstellenbarometer des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI)).
  • Schüler*innen, bringen die erforderlichen Schulleistungen für bestimmte Lehrstellen nicht mit. 
  • Die Anforderungen von Ausbildungen sind gestiegen und damit auch die Leistungsvoraussetzungen, die an Schüler*innen gestellt werden. Nicht alle Schüler*innen bringen diese mit.


Sind nicht auch die Lehrbetriebe mitverantwortlich?

In einem Artikel von HRTODAY (Nr. 12/2018) wird die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die Lehrbetriebe für diesen Lernendenmangel mitverantwortlich sind.

Sie müssen sich nämlich fragen ob und schon mal den Vorwurf gefallen lassen, dass

  • sie Schulnoten und Ergebnisse eines Eignungstests bei Lehrstellensuchenden zu hoch gewichten
  • sie Schüler*innen mit geringeren Schulleistungen automatisch und/oder zu voreilig ausschliessen
  • sie das Entwicklungspotential der Schüler*innen übersehen oder unterschätzen (einige hinken in der Entwicklung noch hinterher, machen aber während der Lehre einen Sprung nach vorne)
  • stereotype Geschlechterrollen zu wenig aufbrechen (vielfach bevorzugen Schülerinnen mehrheitlich frauentypische und Schüler männerspezifische Berufe, da Vorbilder fehlen)
  • sie Schüler*innen auf ihrer Webseite nicht auf Augenhöhe ansprechen (Webauftritt verfehlt die Zielgruppe Jugendliche)
  • sie Vorteile und beruflichen Perspektiven, die eine Ausbildung in ihrem Lehrbetrieb mit sich bringt, zu wenig hervorheben
  • sie den Bereich Lernendenmarketing als Teil der Lernendenrekrutierung vernachlässigen oder zu wenig ausschöpfen (mehr zu Lernendenmarketing).


Gegensteuer, sofort!

Einige Unternehmen und Branchen haben diese Mängel erkannt und steuern dagegen.

Die Zauberwörter heissen Employer Branding und Lernendenmarketing (Lehrlingsmarketing).

  • Sie werben um Schüler*innen, verkaufen sich als Unternehmen, heben die Vorteile einer Lernendenausbildung in ihrem Lehrbetrieb und Berufsperspektiven im Unternehmen hervor. 
  • Sie bauen sich einen Ruf als innovativen Lehrbetrieb auf.
  • Sie verankern in der Standortregion ein Image als kompetente Ausbildungsstätte.
  • Sie vermitteln glaubhaft und nachweislich,  dass der Lehrbetrieb Lernende nach vorne bringt, sie als Lernende wertschätzt, anerkennt und fördert (Lehrstellensuchende vertrauen darauf, dass diese Versprechungen keine leeren Worthülsen sind).
    Ein überzeugender Beleg dafür sind Teilnahmen von Lernenden Berufswettbewerben und Berufsmeisterschaften oder Lernende, die an Berufs- und Ausbildungsmessen Schüler*innen Fragen zur Berufslehre und dem Lehrbetrieb beantworten.
  • Sie machen Berufsbildner*innen und Lernende zu Botschaftern des Betriebs und Lehrberufs.
  • Sie spannen ihre Lernenden ein, um neue Lernende für sich zu gewinnen (gelingt jedoch nur glaubhaft, wenn die Lernenden wirklich hinter dem Unternehmen stehen und ihnen Lehrbetrieb und gewählte Berufslehre gefallen).


Lehrbetriebe machen klar Schiff

Fortschrittliche Lehrbetriebe übernehmen selbst Verantwortung für geringe Lehrstellenbewerbungszahlen.

  • Sie entstauben verfälschte Bilder von Lehrberufen und Branchen und fegen Vorurteile fehlender Berufsperspektiven weg.
  • Sie positionieren sich als Ausbildungsstätten, die angehenden Lernenden eine berufliche Grundbildung und eine Infrastruktur (IT, Geräte, Werkzeuge, Arbeitskleidung) auf der Höhe der Zeit bieten.
  • Sie fördern eine Lernendenkultur im Unternehmen und begreifen Lernende als angehende Berufsfachkräfte und unterstützen sie auf dem Weg dahin. Diese Anstrengungen sprechen sich rum.
  • Sie sprechen Schüler*innen auf der Webseite (Lernendenwebseite mit Lehrberufsvideos) so an, dass diese nicht abgeschreckt werden und sich nicht wagen, sich zu bewerben.
  • Sie zeigen Verständis für die Schüler*innen, die mit Berufswahl, Bewerbungen und Lernendenauswahl noch nicht so vertraut sind.
  • Sie holen Lehrstellensuchende auf den Medienkanälen ab, wo sie sich aufhalten.
    Sie schaffen niederschwellige Kommunikationsangebote wie z.B. ein WHATSAPP Chat, in der sich Schüler*innen z.B. mit Berufsbildner*innen oder Lernenden austauschen können. Dieser muss jedoch überwacht werden.
  • Sie bieten Schnupperlehren an, um die Persönlichkeit der Schüler*innen kennen zu lernen, um so einen handfesten Eindruck von ihnen in einer Berufsalltagsituation zu gewinnen.
  • Sie führen im Vorfeld Informationsanlässe und Betriebsrundgänge für angehende Lernende durch.
  • Sie veröffentlichen Beiträge über den Ausbildungsbetrieb auf der Unternehmenswebseite, auf Lernendenplattformen und in sozialen Medien.
  • Sie erkennen, dass Schüler*innen ihr Entwicklungspotential noch längst nicht ausgeschöpft haben und sich während der Lehre weiterentwickeln.
  • Sie geben so auch Schüler*innen mit schwächeren Schulleistungen eine Chance (im Wissen, dass das Unternehmen dafür Zeit in Betreuung und manchmal auch Erziehung stecken muss).

Kleinere und mittlere Unternehmen müssen hier nicht zwangsläufig im Nachteil gegenüber grösseren Unternehmen sein. Sie müssen sich aber auf die Lehrstellensuchenden hin bewegen!


Zu vermeidende Fehler 

Lehrbetriebe sollten sich hüten, den angehenden Lernenden vor Lehrbeginn falsche Lehrbetriebsbedingungen vorzugaukeln. Lehrabbrüche sind hier garantiert.

Lernendrekrutierung und Lernendenmarketing dürfen nicht nebenher zum Tagesgeschäft laufen. Sie müssen zu einem fest verankerten Aufgabenbestandteil einer/s dafür zuständigen Mitarbeitenden werden.


Der scheinbare Vorteil von grösseren Ausbildungsbetrieben gegenüber kleineren und mittleren Lehrbetrieben

Grössere Unternehmen haben meistens einen klaren Startvorteil bei der Suche nach den besten Bewerber*innen. Ihre Namen und Produkte sind bekannt.

Hier kämpft nicht ein/e Berufsbildner*in alleine auf weiter Flur.  Stattdessen können sie für die Lernendenrekrutierung auf eine Ausbildungs- und Berufsbildungsabteilung zurückgreifen. Diese ist mit Mitteln und Zeit ausgestattet, um Schüler*innen anzuwerben, ihnen Schnupperlehren anzubieten und für sich zu gewinnen.

Da können kleinere und mittlere Unternehmen, die häufig über ein eingeschränktes Lernendenbudget verfügen, scheinbar nicht mithalten.
Weit gefehlt.

Auch sie können den Hebel an zahlreichen Schraubstellen wie beispielsweise Employer Branding und Lernendenmarketing (Definition unterhalb) ansetzen.

Sie müssen sich einfach mehr als nur einen austauschbaren Standardinhalt auf der Webseite zur Lehrstelle einfallen lassen.
HEINIGER-LEHRLINGSBERATUNG







Begriffe:

Employer Branding
Mit Employer Branding versuchen Unternehmen eine authentische, glaubwürdige und attraktive Arbeitgebermarke auszubilden und sich so von Marktbegleitern abzuheben.

Lernendenmarketing
Personal- und Lernendenmarketing sind mit dieser Arbeitgebermarkenbildung eng verbunden.  Sie haben zum Ziel, die Bewerber*innen zu finden, zu erreichen, für das Unternehmen zu interessieren, zu begeistern, zu binden und zu Bewerbungen zu verleiten. Eine starke Arbeitgebermarke erleichtert diese Schritte.
Bewerber*innen werden mit  Stellenanzeigen, Bewerberbroschüren, Lernendenwebsite, Videos, Social Media, Berufs- und Ausbildungmesseauftritte umworben.

Mehr zu den Begriffen und deren Abgrenzung
http://www.sputnik-agentur.de/blog/was-ist-employer-branding/
https://www.hrweb.at/2018/09/personalmarketing-employer-branding/
https://www.saatkorn.com/category/employer-branding/




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